Die Schocklage

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    • ...und eben da spricht die Erkenntnislage eben gegen eine Schocklage durch den von Serval benannten Personenkreis.


      Eine (Notfall-) Maßnahme sollte immer nach den Gesichtspunkten
      Aufwand,
      Sicherheit,
      Schnelligkeit,
      Erfolgsaussichten und
      Nebeneffekte
      bewertet werden.


      Fangen wir mit dem **Erfolgsaussichten** bei unserer Zielgruppe an:
      Es gibt keine Studie, die die Wirksamkeit auch nur ansatzweise belegt. Weder wird das Outcome wesentlich verbessert, noch der Blutdruck dauerhaft gesteigert. So ist nun mal die Studienlage, und Studien heben eben nun mal einen höheren Evidenzgrad als Anekdoten. Studien im Bereich der Notfallmedizin die durch Fallauswertungen zustande kommen, sind die Erfahrungen von vielen. Man darf eine Studie auch nicht auf die Statistik reduzieren. Das Zitat á la Statistik selbstgefälscht ist genau so sachdienlich wie das Argument "meine Oma sagte immer..." Auch ist das Argument "hat sich bewährt" sehr zweischneidig, wenn man nicht regelmäßig beides probiert. Die Methode zur Reanimation Tabakrauch in den Anus zu pusten war da nämlich auch sehr bewährt - zumindestens haben die Verfechter diese Methode dies immer zur "Beweißführung" angeführt. Beispiel zu weit weg? OK. Ähnlich war es bei der Dreierserie bei der Defibrillation. Es war absolute Lehrmeinung, dass man beim Kammerflimmern unbedingt drei Defibrillationen mit zwischengeschalteter Analyse machen muss. Das war so "weil es sich bewährt hat". Wie in der Medizin üblich, hat das irgendwer irgendwann mal so gesagt und so blieb es, bis der Nachweis der Patientenschädigung derart überbordend war, dass man sich davon endlich verabschieden konnte.
      Also lange Rede kurzer Sinn = Maßnahme bei lebensgefährlichen Situationen nicht wirksam.

      Zur hier immer wieder aufgeführte Synkope, oder genauer die vasovagale Synkope. Eine an sich harmlose Situation, wie sie der Sanitätsdienst bei Veranstaltungen oder der Sicherheitsdienst von Diskotheken mit hohem Anteil junger Mädchen jeden Abend mehrmals erlebt. Auch die Arztpraxen und das Thema Blutabnahme sollen nicht unerwähnt bleiben. Dieses ist nun wirklich nicht eine lebensbedrohliche Situation und das geneigte Personal mag da die Beine heben. Allerdings werden keine Menschen sterben, wenn man in der Situation die Person auch einfach flach lagert.


      Kommen wir zur **Sicherheit** dieser Maßnahme:
      Nicht umsonst lernt der gute Ersthelfer die 5B- bzw 6B-Regel (je nach HiOrg und Geschmack des Ausbilders). Nehmen wir die dem Ersthelfer vermittelten Kontraindikationen:
      Kopfverletzungen (Birne),
      Brustkorbverletzungen/-erkrankungen,
      Bauchverletzungen/-erkrankungen,
      Beckenverletzungen,
      Wirbelsäulenverletzungen (Buckel) und
      Beinbrüche
      heraus, bleibt nur noch eine Verletzung der Arme über, aufgrund dessen Betroffene in den Genuss einer Schocklage kommt.

      Es gibt Schockarten, da führt die Schocklage zu einer Erhöhung der Lebensgefahr.
      Also ist diese Maßnahme nicht sicher und bei unsicheren Maßnahmen muss immer ein Nutzen gegenüber stehen. Und genau für diesen Nutzen gibt es keinen Beleg.


      **Aufwand**
      Die Maßnahme als solches ist nicht aufwändig, keine Frage.
      Berücksichtigt werden muss aber auch der Aufwand der Ausbildung. Und der ist, dank der Kontraindikationen, nicht unerheblich. Erinnerung: Wir reden hier über Ersthelfer, First Responder, etc. die sich die Kontraindikationen nicht herleiten können, sondern stumpf auswendig lernen müssen. Selbst wenn sie im Kurs dem Ausbilder fröhlich zunicken, nachdem er lang und breit alles erklärt hat und bestätigen, dass es ja soo logisch sei, so ist das lange noch nicht die Gewähr dafür, dass sie es 15 Monate später auch noch so logisch SELBSTSTÄNDIG wieder herleiten können. Und mit rudimentärem Wissen ist Herleiten so eine Sache.

      Jedem Aufwand sollte – will man nicht nur Selbstzweck betreiben – ein Nutzen entgegenstehen.
      Und genau für diesen Nutzen gibt es keinen Beleg.


      **Schnelligkeit**
      Schnell durchzuführen ist diese Maßnahme, zugegeben.
      Aber eine schnelle unangebrachte Maßnahme kostet Zeit. Die Pulskontrolle (und etwas früher noch die Pupillenkontrolle) vor der HLW waren für sich genommen schnelle Maßnahmen. Dumm nur, dass sie wenig brachten und denn Beginn der Maßnahmen die was bringen verzögert haben.
      Dem möglichen Argument, „man könne ja mehrere Dinge gleichzeitig tun“ setze ich entgegen, dass der „Profiretter“ durchaus mehrere Dinge gleichzeitig machen kann, nur wir reden hier von Ersthelfern, First Respondern etc. Die sind grundsätzlich erstmal nur als monotaskingfähig zu betrachten (durchschnittlich gebildete allgemeine Ersthelfer) oder haben (wenn sie z.B. im taktischen Setting unterwegs sind) schon genug Tasks aufgrund der umgebenen Situation.


      **Nebeneffekte**
      In dieser Fragestellung eng mit den Punkten Sicherheit (Behinderung der Atmung) und Schnelligkeit (Zeitverzögerung) verwoben. Weitere negative Nebeneffekte könnte man sich vielleicht für das taktische Setting herleiten.
      Positive Nebeneffekte sind für mich nicht erkennbar.


      Warum ist die Maßnahme so beliebt?

      Zum einen hat sie bei der vasovagalen Synkope einen schön imposanten Effekt.
      Nur dass bei der vasovagalen Synkope die peripheren Blutgefäße schön weit, und beim hämorrhagischen Schock schön eng sind. (Ja, ich weiß: nur Anfangs, aber genau dann wird der Ersthelfer ja tätig.)

      Zum anderen bietet man dem Ersthelfer (oder sich selbst) eine schöne, für alle sichtbare, Maßnahme an. Motto: „Hauptsache man tut was.“ Kann's aber irgendwie nicht sein, zumal Blutstillung, Wärmeerhalt und für eine schnelle weitergehende Versorgung sorgen auch schöne Maßnahmen sind.


      ((Da auf Dienstreise, kann ich nicht mit Quellenangaben glänzen, verweise aber einfach auf die Quellen von Max))
    • Das Problem ist, das keiner binnen den ersten 10-20 Minuten die Kontraindikationen SICHER ausschließen kann....
      Fall A: Helfer erwartet primar Synkope - Ergebnis Apoplex
      Fall B: Helfer erwartet primär Synkope - Ergebnis Infarkt
      beides so in den letzten 12 Monaten gesehen.
      Eine Schocklage bietet kein besseres Outcome und führt unter bestimmten Bedingungen zu einem schlechteren.
      Somit- nicht anzuraten!
      Bedenke, es müssen die 7 B ausgeschlossen werden. Bis das sicher geschehen ist, liegt der Pat. oft schon im Krankenhaus.

      Die Studie stammt aus der Intensivmedizin. Bitte versteht endlich das viele Grundlagen der Intensivmedizin präklinisch nicht anwendbar sind. Es handelt sich dort um interdiszplinär untersuchte Patienten mit einer! sicheren Diagnose. Und es steht Chirugie und Blut zur Verfügung.
      Das versteht ein Großteil der Ärzteschaft in DE nicht, und schädigt so tagtäglich Patienten auf der Straße.
      Ein sehr leidvolles Thema. wir haben hier grausamste Bedingungen deswegen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von winz ()