Video Diskussion

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    • Video Diskussion

      michaelyon-online.com/watch-your-step.htm

      Ich bitte um professionelle Diskussion der Behandlung ohne irgendwelche Emotionalitäten oder Rettungsdienst vs. Tacmed gebashe. Wir dürften uns alle einig sein dass das Verhalten der involvierten Soldaten von größter Courage und Kameradschaft zeugt. Was ich hier auf einer absolut profesionellen Ebene diskutieren möchte ist der handwerkliche Aspekt damit wir alle, die wir beruflich mit diesem Feld befasst sind, den maximalen Nutzen aus diesem Video ziehen können.

      Kritikpunkte meinerseits die ich gerne zur Diskission stellen würde.

      Dem Verwundeten sind gravierende Verletzungen im Gesicht entstanden, speziell rechte Seite Kopfseite und generell Unterkiefer. Das linke Bein ist nahezu amputiert, das rechte anscheinend unverletzt.

      #1 Lagerung: Dem Patienten strömt liegend sein Blut in die Speiseröhre, weiterhin besteht eine hohe Gefahr der Aspiration von Blut oder dislokalisierter Anatomie. Bei Verwundungen im Gesichtsbereich sollte wo immer möglich eine sitzende, vornübergebeugte Haltung (Kutscherhaltung) ermöglicht werden, damit dislokalisierte Anatomie und Blut nach Außen fallen und die Atemwege damit frei bleiben.

      #2 Der Atemweg wurde nicht gesichert. Ganz zu Anfang hat der Medic das Cryc-Set in der Hand und diskutiert kurz die Nutzung, vermeidet sie dann aber da der Patient ausreichend atmet. Liegend gelagert, transportiert und im Heli verbracht ist der Atemweg ständig in Gefahr und im Helikopter schlechter zu sichern als am Boden. Ein NPA wäre möglich gewesen, auf Grund der Gesichtsverletzungen kann aber eine Fraktur im oberen Gesichtsbereich nicht ausgeschlossen werden. Eine Cryc wäre eine adäquate Sicherung der Atemwege gewesen, am Besten unter lokaler Vorbereitung mit Lidocain oder bereits generellem Painmanagement mittels Morphium/Ketamin.

      #3 Die Sicherung eines Zugangs mit FAST-1 wäre innerhalb kürzester Zeit möglich gewesen und hätte eine Analgesie und möglicherweise nötige hypotensive resuscitation am Boden/während dem Flug ermöglicht.

      #4 Hypothermia: Die Entkleidung des Patienten ist richtig um nach weiteren Verwundungen zu suchen, es wird jedoch keinerlei Wärmeerhalt durchgeführt.
      Selbst bei schweißtreibenden Temperaturen um 30°C im Schatten kühlt ein Verwundeter schnell aus. Eine Absenkung von 2°C verschlechtert bereits erheblich die Fähigkeit des Körpers Blutungen zu stillen und das Immunsystem aufrecht zu erhalten, womit das Outcome des Verwundeten erheblich beeinflusst wird.


      Sind euch andere Punkte aufgefallen, gibt es Gründe für das von mir kritisierte Verhalten?

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von Shiremono () aus folgendem Grund: Anfangssatz

    • Ohne auf eure professionelle Behandlungssicht eingehen zu wollen/können;
      hatte der Verwundete in dem Video Blast Boxers an, die evtl. den Oberschenkel geschützt hat?
      Ansonsten wäre mein erster Gedanke an ein 2nd Hit-IED gegangen, zumindest vom sicheren DEU aus.
      "Eigentlich werden die meisten Heere von den jeweiligen Unteroffizieren geleitet.
      Die Offiziere sind nur dazu da, der ganzen Sache etwas mehr Stil zu geben und zu verhindern,
      dass der Krieg in eine Art banale Massenschlägerei ausartet."
      (Terry Pratchett - Scheibenwelt-Romane)
    • Raven schrieb:


      hatte der Verwundete in dem Video Blast Boxers an, die evtl. den Oberschenkel geschützt hat?

      Habe keine solchen in dem Video gesehen. Da der Mann von der ANA war würde ich es auch eher bezweifeln.

      Second hit ist ein guter Punkt. Von Explosion und Verletzungsmuster würde ich zwar eher auf eine alte Schützenmine tippen aber man weiss ja nie.

      Also Massiv Bleeding+Airway abarbeiten, zurück in sicheres Gebiet und dort weitere Versorgung.
    • Kam mir, auf Grund des fetten schwarzen Stoffes, so vor. Aber ANA erklärt auch die alte Uniform.
      Ich kann auch zwei alte Schützenminen verlegen, bzw. weitere RC oder ähnlich zu steuern.

      Zum Lessons learned: Die Tourniquets sehen suboptimal in der Funktion aus; langes Gefummel. Oder die Schlaufe schon vorher mal etwas einfädeln.
      "Eigentlich werden die meisten Heere von den jeweiligen Unteroffizieren geleitet.
      Die Offiziere sind nur dazu da, der ganzen Sache etwas mehr Stil zu geben und zu verhindern,
      dass der Krieg in eine Art banale Massenschlägerei ausartet."
      (Terry Pratchett - Scheibenwelt-Romane)
    • Bin eher ein Fan davon das ein Medic arbeitet und ein Helfer Handreichungen übernimmt. Simultanes arbeiten am Patienten behindert nur gegenseitig und führt zu vergeudeter Zeit, man ist ja kein eingespieltes Team wie auf dem Rettungswagen und auch nicht notwendigerweise 100% über den Ausbildungsstand des Helfers informiert.

      In diesem Fall waren zwo Medics am Verwundeten, wobei "Medic" ein weiter Begriff ist der vom Patrol First Responder über den Corpsman bis hin zum 18D reicht. Der dritte Mann ist ein Sergeant über dessen medizinischen Ausbildungsstand oberhalb des normalen Spektrums nichts gesagt werden kann.

      Was mir im Nachhinein noch auffällt, ist das die Betreuung des Patienten besser sein könnte. Der zwote Medic mit dem Aidbag befindet sich am Kopf des Patienten, hält ihn zurück oder unterstützt ihn in der sitzenden Position, vernachlässigt das aber jedes Mal wenn er Dinge aus dem Aidbag sucht o.ä. wobei der Patient dann an seinem Bein herumfummelt oder auf die Seite kippt. Idealerweise hätte der zwote Medic die Position des Sergeant einnehmen können und dieser wäre an den Kopf des Patienten gewechselt. Eine stärkere Einbindung des Interpreter wäre auch gut gewesen, allerdings muss dieser sich ja noch um die anderen Teile der ANA kümmern.


      Klar ist das diese Kritikpunkte reine Schreibtisch i-Tüpfelchen sind die in einem solchen Setting seltenst berücksichtigt werden.

      Zuletzt hätte einer der Medics noch den Sergeant checken sollen, dieser war in einer ungünstigeren Position zur Explosion und wurde ja auch, im Gegensatz zum Medic, umgeworfen. Da er seitlich zur Explosion kniete und sich am Wall zu schaffen machte, wäre speziell eine Prüfung der von der Weste unbedeckten Achsel und des Nackens wichtig. Winzige Schrapnelle die mit hoher Geschwindigkeit einschlagen verursachen teilweise kaum Beschwerden/ Blutung/ offensichtliche Verwundung, führen aber zu inneren Blutungen/ Spannungspneu.

      @ Raven: Die Tourniquets sind CAT, also auch unser Standart. Beim Anlegen am Bein kommt man um das Gefummel kaum herum da man das Tourniquet nicht überstreifen kann sondern komplett öffnen muss. NATO-Tourniquets sind hier, angelegt durch einen ausgebildeten Medic, deutlich schneller da nichts eingefädelt werden muss.

      Die neuen SOF-Tourniquets wurden dahingehend verbessert und haben nun einen Einhak- statt einem Schnallenmechanismus. Sieht sehr überzeugend aus, habe ich aber noch nicht selbst benutzt.
    • also zunächst mal vielen dank an das eindrucksvolle video !

      größter kritikpunkt meinerseits ist die offesichtlich fehlende analgesie, der verwundete steht sichtbar unter schock, aber 25min ohne jegliche analgesie...

      eindrucksvoll finde ich den "kameramann" er zeigt wie es in der ralität aussieht, zunächst funktioniert man einfach in der extremsituation und am ende wenn der patient "in sicherheit" ist fällt die anspannung und das adrenalin und man kippt wie ein baum...
    • Massiv Bleeding: Check
      Airway: Suction okay, schlechte Lagerung, kein gesicherter Airway
      Respiration: Check, laut und deutlich
      Circulation: Kein Zugang, kein Assessment
      Hypothermia: Keinerlei Schutz

      Open Wounds: Arm bedeckt, Bein frei, Gesicht frei
      No Pain: Keinerlei Painmanagement.
    • Zu #1: Patient kann im Liegen besser kontrolliert werden, und wie man im Verlauf des Videos sieht ist der Patient agitiert genug.

      Zu #2: Solang der Patient suffizient schnaufft halte ich es für fahrlässig, gerade im gezeigten Setting, diesen zu sedieren, weil mir jegliche Möglichkeit zur Beatmung fehlt. Wenn der Patient anfängt schlechter zu schnaufen kann ich immernoch schneiden, wobei das Problem der Ventilation mit genügender Oxygenierung weiterhin bestehen bleibt. Ich muss mir nicht selbst ein Beatmungsproblem schaffen wo vorher noch keins war.

      Zu #3: Geh ich völlig konform.
    • zu 1. Der Patient ist unter anderem so agitiert weil er versucht sich aufzurichten. Sitzende Lagerung bei derartigen Gesichtsverletzungen ist Imperativ sofern es irgend möglich ist. Liegende Lagerung nur mit gesichertem Airway, wobei endotrachiale Intubation Gold wäre.
      Spiegelt sich schon in der ersten Maßnahme TCCC-Airway wieder: Position-Gravity.

      zu 2. Sedieren wäre definitiv fehl am Platze, aber Analgesierung ist nicht umsonst im MARCH-ON eingearbeitet und trägt nicht nur zur besseren Händelung des Patienten und dessen Wohlbefinden sondern auch zu einem besseren Outcome bei. Schmerz ist Stress.
      microdose Ketamin über FAST1 oder IM wäre eine Maßnahme gewesen.
    • Johannes.k.b schrieb:

      Man sollte aber auch bedenken, das eine Analgesie einen Blutdruckabfall bewirken könnte( ja, ich weiß, bei Ketamin eher unwahrscheinlich).


      Man sollte aber gut abwägen ob man Ketamin gibt, da es dem Hirndruck erhöht und ein Schädel- Hirn- Trauma nicht auszuschließen ist.
      "Echte Krieger ziehen nicht mit Küchenmessern in die Schlacht"

      Zitat von Colonel Rex Applegate zum Thema Wellenschliff an Kampfmessern.
    • Guter Punkt.

      Ein SHT muss also bestmöglich ausgeschlossen werden durch Palpation des Schädels und visuelle Inspektion nach Brillenhämatom, Liquoraustritt aus den Ohren etc.

      Stellt man ein SHT fest, ist zumindest eine punktuelle Schmerznahme durch Nervenblocks mit Lidocain möglich.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Shiremono ()

    • Ein Nervenblock? Bei dem, was vom Gesicht noch übrig geblieben ist?

      Sorry, vielleicht lebe ich ja in einer anderen Welt - aber MIR hat noch kein Medic, Paramedic, Rettungsassistent, SanBravo oder irgendeine andere Hilfskraft einen Patienten auch nur annähernd so abgeliefert, dass ich mir vorstellen könnte, dass der bei dem im Video gezeigten Ausmaß an Verletzungen auch nur IRGENDWIE in die Nähe von fascialen Nervenbündeln gekommen wäre.
    • Was spricht gegen einen Nervenblock des linken Beins? Haben wir für genau diese Art von Verletzung gelernt falls ich da nicht gerade ganz grob was durcheinander werfe?

      Hat ja auch mit seinem Gesicht nichts zu tun falls wir von derselben Prozedur reden? Selbiges für den linken Arm.