Wirbelsäulenverletzung / Diagnose im Rahmen der TCCC

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Wirbelsäulenverletzung / Diagnose im Rahmen der TCCC

      Hier in Deutschland haben wir eine gute Rettungskette, die einen Patienten mit mehreren Verletzungsmustern (Polytrauma) zügig stabilisiert und weiterführt.

      Für uns als aktive in Afghanistan stellt sich das aber ganz anders dar. Gehen wir von einem IED aus, habe wir als Verletzungsmuster neben Verbrennungen und Amputationen auch häufig Knochenbrüche. Das ganze dann noch mitten im Nichts bei möglichem Feindkontakt.

      Obwohl die meisten Verletzungen (Amputationen & Verbrennungen) gut zu erkennen sind, müssen wir mit einer Verletzung der Wirbelsäule rechnen.
      Lässt das Kampfgeschehen bzw. die Lage es zu, wird der Verwundete stabil gelagert und transportiert aber – und das ist Einsatzrealität – wenn wir nicht den Luxus von Zeit & Ausrüstung haben, muss es schneller gehen. Daher ist eine rasche Feststellung von Wirbelsäulenverletzungen vor Ort notwendig.
      Wie gehen wir vor um eine Wirbelsäulenverletzung grob auszuschließen?

      Die nachfolgende Anleitung ist NUR für den Kampfeinsatz WENN KEINE andere Möglichkeit oder ein Transport in eine diagnostische Einrichtung umsetzbar ist!

      Es gelten zunächst die TCCC 2008/ 4 Richtlinien

      Care-under-Fire -> MARCH
      Tactical-field-Care -> weiterführende Untersuchung / könnte die Wirbelsäule verletzt sein?

      1.) Kopf stabilisieren ggfls. mittels SAM© Splint einen Kragen formen

      2.) Umfassende Untersuchung des Verwundeten am GANZEN Körper vornehmen, besonderes Augenmerk auf den Bewusstseinszustand, die Motorik, die Reizreaktion sowie die tastbarkeit des Pulses an den Armen und Beinen

      3.) Zum Ausschluss einer Wirbelsäulenverletzung sowie der Stabilisierung müssen SÄMTLICHE der folgenden Punkte zutreffen
      a. Verletzungsmechanismus deutet NICHT auf Wirbelsäulentrauma hin
      b. Patient ist Ansprechbar, Orientiert, Nüchtern
      c. Nicht durch Verletzungen im Urteilsvermögen beeinträchtigt
      d. Keine Rückenschmerzen, keine Deformierungen, keine Taubheit, kein Kribbeln & Bewegungseinschränkung
      e. Keine Schmerzen bzw. Taubheit & Kribbeln in Armen UND Beinen
      f. Kein Verlust der Beweglichkeit an Armen UND Beinen
      g. Keine pulslosigkeit an Armen UND Beinen
      h. Keine Schmerzen, Deformierungen, Kribbeln, Verkrampfungen & Bewegungsblockaden im Nacken
      i. Verwundeter kann OHNE Unterstützung durch den Medic, den Nacken VORSICHTIG in alle natürlichen Bewegungsrichtungen drehen
      j. Verwundeter hat KEINE Schmerzen im aufrechten Sitzen & langsamen Gehen

      4.) Wenn der Verwundete alle unter 3 genannten Vorgaben erfüllt, kann ein MEDEVAC ohne Wirbelsäulenstabilisierung erfolgen. Unabhängig der zuvor genannten Punkte, wird der Verwundet in regelmäßigen Abständen auf Anzeichen von Wirbelsäulentrauma untersucht. Dies zieht sich bis zum MEDEVAC durch

      5.) Sind ein oder mehrere Gliedmaßen so verletzt, dass Puls, Empfinden und Bewegung nicht mehr möglich sind, werden diese nicht in die unter 3 aufgeführten Punkte einbezogen

      6.) Im Zweifel -> Wirbelsäule stabilisieren und Verwundeten Immobilisieren

      Zusammengefasst kann man sagen,

      dass Gefechtslage, begrenzte San-Ausrüstung und verzögerter MEDEVAC Faktoren sind, in denen ein immobilisierter Verwundeter zusätzliche Belastung bedeuten kann. Daher müssen wir unsere Einsatzfähigkeit im Gefecht so gut wie möglich aufrecht erhalten.

      dass wir grundsätzlich von einem Wirbelsäulentrauma ausgehen, wenn der Verwundete über entsprechende Schmerzen klagt und der Verletzungshergang passt, es sei denn alle unter 3 genannten Kriterien werden erfüllt.

      dass wir uns bei der Untersuchung des Verwundeten ausreichend Zeit nehmen müssen und die unter 3 genannten Kriterien mehrfach überprüfen.

      dass wir eine vernünftige und realistische Einschätzung der Verletzungen treffen müssen. Die Einschätzung basiert auf dem Verletzungsmuster, dem Verletzungsmechanismus sowie den unter 3 genannten Kriterien. Keinesfalls dürfen wir jeden Fall als sogenannten „worst-case-scenario“ betrachten sondern vielmehr durch ordentliche und wiederholte Diagnose eine verlässliche Einschätzung treffen.

      Nochmals -> Ablaufschema gilt NUR für GEFECHTSLAGEN im EINSATZ


      "Bellum omnium contra omnes."
      Krieg von Allen gegen Alle.
    • sehr interessant, danke fuer den beitrag!

      frage: wie schaetzt du das risiko ein, dass sich nicht sofort diagnostizierte wirbelsaeulenverletzungen bereits beim care under fire und dem weiteren transport verschlimmern? sind die dann noch einigermassen therapierbar bzw. sogar spaeter reparabel?

      uhu
      zu lande - zu wasser - in der luft
    • Servus,

      wenn eine Wirbelsäulenverletzung vorliegt ist diese durch durch den Verletzungsmechanismus schon erheblich.

      Im Rahmen der CuF bleibt dir gar nichts anderes übrig, den Körper des Kameraden abzusuchen. Erfahrungen aus Iraq sowie Afgh zeigen, dass es keine wesentliche Verschlimmerung im Patientenoutcome gegeben hat, die auf TCCC zurückzuführen ist. Selbst ein BAT müsste den Verletzten zwangläufig bewegen und aus einem zerstörten DINGO/ FENNEK/ FUCHS/ WOLF rausholen. Bei gleichem Risiko.

      Bei einem IED zum Beispiel, ist der Wirkungsmechanismus enorm traumatisch:

      Hitze
      Druckwelle
      Splitterwirkung

      Daher, geh einfach bei CuF gem MARCH vor (aber erst den Talib einplätten!!) und eine weitergehende stabilisierung erfolgt dann bei TfC


      "Bellum omnium contra omnes."
      Krieg von Allen gegen Alle.
    • Bei dem ganzen Fachgesimpel komme ich mir ziemlich hilflos vor - vor allem im Extremfall.
      Die Chance dass bei der Rettung eines Kameraden oder bei der Selbsthilfe etwas schief geht was um Leben oder Tod entscheidet ist einfach so groß. Niemand sollte nach Afghanistan ohne einen erweiterte Ausbildung zum Rettungshelfer oÄ.

      "Was zusammengehört um zu funktionieren, muss getrennt transportiert werden"
    • Klar, dass ist der Idealzustand aber da die meisten med. Kurse nur aus zivilem Kram bestehen, haben diese kaum nutzen für den EInsatz.
      Daher sollte man sich mit der Anwendung der OALES bzw. Izzi bereits vertraut machen und dies üben. TCCC sowie CuF kann man üben und
      das Anlegen eines Tourniquets lässt sich auch üben.

      Es ist halt leider so, dass zum einen die SanAk (Schwarzwaldklinik) TCCC negiert und nicht ausbildet und zum anderen Truppenteile in der BW
      daran ausgebildet werden. Dann halt eben in Pfullendorf - hier der CFR (Combat First Reponder).

      Man kann den Eindruck gewinnen, die linke Hand weiss nicht was die rechte macht ... :D


      "Bellum omnium contra omnes."
      Krieg von Allen gegen Alle.
    • anregung: kann ein moderator die grundsatzdisskussion ueber tccc gegenueber der querschnittlichen ausbildung in selbst- und kameradenhilfe/ erweiterte sanitaetsausildung abtrennen?
      Done, danke für die Anregung!
      Ist nun alles hier zu finden: klick
      -Fuchs
      zu lande - zu wasser - in der luft

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von UHU ()